Verfassungsschutz ist Antifa? Rechte Aktivistin teilt nach US-Sanktionen alten Beitrag
Die rechtsextreme Aktivistin Naomi Seibt behauptet auf X, der Verfassungsschutz unterstütze eine Terrororganisation. Belegen soll das ein X-Beitrag, in dem der Verfassungsschutz Niedersachsen schrieb „auch wir sind Antifa“. Was es damit auf sich hat.
Die Deutsche Naomi Seibt ist rechtsextreme Influencerin – seit 2024 lebt sie in den USA und hat dort Ende Oktober 2025 politisches Asyl beantragt. Sie behauptet, sie würde vom deutschen Verfassungsschutz überwacht und erhalte Todesdrohungen von „der linksextremen Antifa“. Damit nährt sie ein Narrativ, das auch von der US-Regierung verbreitet wird: In Deutschland werde die Meinungsfreiheit vor allem für politisch Rechte eingeschränkt.
Mitte November stufte die US-Regierung einige europäische „Antifa-Gruppen“ als Terrororganisationen ein – eine Entscheidung, die von Kritikern als Vorgehen gegen die linke Opposition bewertet wird. Wie die Tagesschau einordnete, verfügt die Antifa-Bewegung weder in den USA noch in Deutschland über eine feste Organisationsstruktur.
In diesem Kontext verbreitet Seibt Mitte November – kurz nach der Einstufung – eine weitere Behauptung: „Der deutsche Geheimdienst ,Verfassungsschutz‘ identifiziert sich als ANTIFA“, schreibt sie auf X in englischer Sprache. Die Behörde stehe auf der Seite „einer terroristischen Organisation“. Dazu teilt Seibt den Screenshot eines alten X-Kommentars vom Verfassungsschutz Niedersachsen, in dem es hieß: „Auch wir sind Antifa. Selbstverständlich.“
Wir erklären im Faktencheck, warum der Behauptung Kontext fehlt.

Verfassungsschutz Niedersachsen meinte mit „Antifa“ nach eigener Aussage „antifaschistische Haltung“
Hintergrund ist: Im Oktober 2024 hatte der Verfassungsschutz Niedersachsen in einem X-Beitrag eine Einordnung der „Antifa“ angekündigt und dazu ein Meme geteilt, das zwischen „demokratischer Protest“ und „Autonome / Militante“ unterschied. Darunter kommentierte die Behörde den Satz, der damals schon für Kritik sorgte und den Seibt nun, ein Jahr später, aus dem Kontext reißt.

Dabei hatte die Behörde in mehreren Beiträgen eingeordnet, dass mit „auch wir sind Antifa“ eine „antifaschistische Haltung“ gemeint sei. Auch einige Tage später stellte der Verfassungsschutz Niedersachsen nochmal klar: „Wir nehmen unsere Aufgaben auf Grundlage der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wahr. Die Ablehnung von Faschismus und jeglicher Form von menschenfeindlicher Ideologie sind in ihr verankert. Jede Person, die hinter der fdGO [Anm.: freiheitlich-demokratische Grundordnung] steht, ist antifa(schistisch).“

Seibt antwortete nicht auf eine Anfrage per E-Mail.
„Antifa“ ist keine klar umgrenzte Organisation, sondern ein Sammelbegriff
In dem angekündigten Beitrag zur „Antifa“ erklärte der Verfassungsschutz Niedersachsen, dass „Antifa“ ein Sammelbegriff für verschiedene Bestrebungen und Organisationen sei – darunter nicht extremistische und extremistische. Als extremistisch eingestuft werden Gruppen und Organisationen, die in Verdacht stehen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) anzugreifen.
Das deckt sich mit einer Einschätzung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags von 2018. Darin heißt es: „Bei der so genannten Antifa handelt es sich nach verbreitetem Verständnis nicht um eine bestimmte, klar umgrenzte Organisation oder Vereinigung, sondern um den Oberbegriff für verschiedene, im Regelfall eher locker strukturierte, ephemere autonome Strömungen der linken bis linksextremen Szene.“
Auch die EU-Kommission erklärte 2022: „,Antifa‘ ist keine Organisation, sondern der Sammelbegriff für verschiedene autonome und oft informelle Gruppen, die sich als antifaschistisch bezeichnen.“

Verfassungsschutzbehörden beobachten auch linksextreme Gruppen
Seibt behauptet in ihrem Beitrag außerdem, dass der Verfassungsschutz „die Antifa“ schütze. Doch sowohl in Niedersachsen als auch auf Bundesebene beobachten die Verfassungsschutzbehörden linksextreme Gruppen, wie sich etwa dem Verfassungsschutzbericht Niedersachsen für 2024 oder dem Verfassungsschutzbericht 2024 auf Bundesebene entnehmen lässt.
Deutsche Behörden zeigten sich offenbar überrascht davon, dass US-Präsident Donald Trump im November die Gruppe „Antifa Ost“ auf die US-Terrorliste setzen ließ. Gewaltbereite Teile der Gruppierung seien entweder bereits rechtskräftig verurteilt und in Haft oder befänden sich in Polizeigewahrsam, zitierte die Tagesschau eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums.
Die „Antifa-Ost“ sei keine homogene Gruppe mit festen Strukturen, wie Zivilgesellschaftsforscherin Christin Jänicke der Nachrichtenagentur EPD sagte. Der Begriff sei eher als „geografischer Raum“ aufgemacht worden, da die Tatorte in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen und Thüringen lagen. Die Urteile hätten sich auch nicht auf die „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ bezogen.
Redigatur: Sarah Thust, Steffen Kutzner